South Georgia - Eine Expedition ins Tierparadies

South Georgia, Teil des britischen Übersee-Territoriums, tönt zwar irgendwie nach warm und südlich, aber schon beim Blick auf die Landkarte zeigt die Insel ihr wahres Gesicht. Die kühle Schönheit liegt auf dem 54. Breitengrad, fast gleich hoch wie Kap Horn und rund 750 Seemeilen östlich der Falkland-Inseln.

 

Zu einer anfänglich coolen Idee von Christoph Afflerbach, Andreas Hänggi und Martin Schaub haben sich sehr rasch acht Segler zusammengefunden – die meisten davon langjährige CCSler – und sich für einen Törn nach South Georgia begeistern lassen. Der Hintergrund für diese Reise sind frühere gemeinsame Erlebnisse und Eis-Erfahrungen an Bord der SY Balena auf Törns nach Spitzbergen, Grönland und in die Antarktis. Auch die abenteuerlichen Schilderungen von Shackletons Antarktis-Expedition haben uns gelockt.

 

Die Anreise ist ein schöner Einstieg ins Abenteuer: von Basel über Paris – Santiago – Punta Arenas nach Port Stanley auf den Falkland-Inseln. Wir haben ein paar Tage Zeit zum Akklimatisieren und lernen das rasch wechselnde Wetter kennen, treffen die ersten Pinguine und bewundern die Schaf-Scherer bei ihrem harten Job.

 

Im Hafen von Stanley liegt unser Schiff bereit, die «Santa Maria Australis», eine 20 Meter Alu-Ketsch, gebaut für raue Gewässer, 40 Tonnen schwer, 220 Quadratmeter Segelfläche und – was auch noch wichtig ist – die Yacht hat aus Sicherheitsgründen zwei Dieselmotoren und genügend Diesel an Bord. Wolf Kloss ist Eigner und Kapitän des Schiffes und auf Expeditions-Törns spezialisiert. Er hatte die Fahrt nach South Georgia zuvor erst einmal unternommen. Für seine beiden Stamm-Crewmitglieder Beate und Daniel ist die Reise genauso ein erstmaliges Abenteuer wie für uns Mitsegler. Der Skipper und die beiden Crewmitglieder führen uns in die Technik des Schiffes, die Sicherheit und die Spielregeln an Bord ein. Wir übernehmen die gleichen Aufgaben wie die Crew. Nahrungsmittel und Getränke sind bereits gebunkert, inklusive zweier Schafe, die wir am Heck des Schiffes in Plastikfolie eingepackt während der Reise mitführten. Die Temperaturen bewegen sich in dieser Jahreszeit meist nur wenige Grad über null und das Fleisch bleibt frisch.

 

Die Abenteuerreise beginnt

Am 23. Oktober legen wir von Stanley Harbour ab, mit schwachen Winden gegen Osten. Doch einmal aus dem Schutz der Insel frischt der Wind auf und mit 30–35 Knoten aus W-SW kommen wir rasch vorwärts. Die ersten zwei Tage sind recht anspruchsvoll. Unterwegs begegnen wir einem riesigen Tafel-Eisberg, mehrere Quadratkilometer gross und 30 Meter hoch. Im Lee des weissen Riesen drehen wir bei und geniessen unser Mittagessen.

 

Am nächsten Tag passieren wir die Shag Rocks: steil aus dem Meer ragende Felszacken mit tausenden von brütenden Kormoranen. Sonnenschein und gemütliche Winde aus W-NW machen jetzt das Segeln zum reinen Vergnügen.

 

Am 5. Tag sticht die Küstenlinie von South Georgia aus dem Dunst hervor. Schneebedeckte Berggipfel, Gletscher, die bis ins Meer fliessen und dort abbrechen, kurz: eine Hochgebirgslandschaft mit Gipfeln von bis über 2 900 Metern. Nach 822 Seemeilen in fünfeinhalb Tagen machen wir fest am Steg von Grytviken, dem administrativen Zentrum von South Georgia. Das Einklarieren durch den freundlichen Pat, dem Kommissar für South Georgia, macht uns klar, dass besonders die Details für das Verhalten auf der Insel sehr ernst genommen werden. Ein erster Rundgang zeigt uns dann bereits die eine wichtige Seite der Insel: die Überreste der alten Walfang-Station. Von 1 904 bis 1965 wurden auf der ganzen Insel an etwa 10 Standorten hauptsächlich von den Norwegern Wale gejagt und ihr Blubber zu Öl verarbeitet. Insgesamt 54 000 Wale wurden geschlachtet und der Bestand dramatisch reduziert. Auch den Robben ging es nicht besser. Im Ort gibt es noch ein Postamt, eine Kirche und den Friedhof, wo auch Shackleton, der grosse Antarktis Forscher, begraben ist. Grytviken hat übrigens nur 16 Einwohner und das ist auch die Gesamtzahl der Menschen, die im Sommer permanent auf 24 der Insel leben. Dabei ist South Georgia, 170 Kilometer lang und 30 Kilometer breit, keine kleine Insel.

 

Spannende See-Elefanten

Wir erhalten die Bewilligung, nahezu sämtliche für Besucher zugelassene Orte zu besichtigen. Diese liegen mit einer Ausnahme alle auf der milderen Nordseite der Insel. Die Südseite, der Antarktis zugewandt, ist viel rauer und häufig mit Treibeis vollgepackt. Unsere Entdeckungsreise beginnen wir Richtung Osten. Die St. Andrews Bay ist eine weite und offene Bucht mit der grössten Königspinguin- Kolonie mit über 150 000 Pinguin-Paaren und der grössten Kolonie von See-Elefanten mit über 6000 Kühen. Die jungen Pinguine stehen dichtgedrängt von den Eltern geschützt. Über ihnen kreisen ständig Skuas, antarktisches Raubvögel, die nur darauf warten, ein schwaches oder nicht gut bewachtes Junges rauszuholen. Ein Highlight auf dieser Strecke ist Gold Harbour. Dies ist wohl eine der schönsten Buchten auf der ganzen Insel. Sie ist um diese Zeit voller Pinguine und See-Elefanten. Dahinter steigen hohe Berge auf, schneebedeckt und mit einem hängenden Gletscher, dessen Wasser die darunterliegende Lagune speist. Die Fauna ist fantastisch und wir beobachten stundenlang das Verhalten der Pinguine und See-Elefanten. 400 000 See-Elefanten leben auf South Georgia. Das sind schon sehr spezielle Tiere. Sie sind nur zur Fortpflanzung und Aufzucht an Land und leben hier während etwa vier Monaten von ihren Fettreserven, die sie sich vorher im Meer angefressen haben. Die Weibchen, die ab September trächtig den Strand erreichen, werfen ihre Jungtiere innert der ersten Woche. Die Jungen werden etwa einen Monat lang gesäugt. Während dieser Zeit nimmt das Weibchen massiv an Gewicht ab. Am Ende der Stillzeit ist das Weibchen schon wieder paarungsbereit. Direkt nach der Begattung wird das Jungtier entwöhnt und fastet etwa zwei Monate. Während dieser Zeit lebt das Weibchen im Meer und futtert wieder auf, während sich das Junge ganz selbständig immer mehr ans Wasser gewöhnt, um sich dann ebenfalls auf die 4 000 Kilometer lange Reise zur Nahrungssuche rund um die Antarktis zu machen. Besonders aggressiv sind die See-Elefanten-Bullen. Sie beanspruchen ihr Territorium und ihren Harem mit bis zu 60 See-Elefanten-Kühen. Kommt ein Widersacher zu nahe, wird zuerst mit weit aufgerissenem Maul, flatternder Nase und lautem gurgelndem Geräusch gedroht. Wenn das nichts nützt, dann gehen die Bullen aufeinander los und es kommt zum Kampf. Sie beissen den Gegner, bis einer von ihnen aufgibt. Das kann Minuten dauern und endet meist blutig.

 

Blauer Himmel und Schneegestöber

An Bord findet bei schönem Wetter jeder leicht seinen Platz, je nach Aufgaben, die zu erfüllen sind. Das Grosstuch setzen und bergen ist hier noch echte Handarbeit. Aber selbst das Reffen bei aufkommendem Starkwind geht rasch und sicher, zusammen mit der geübten Stammcrew. Die Lazy-Jacks sind schon eine grosse Hilfe für das rasche Wegräumen der Segel. Wenn dann alle zehn Mann und Frau am Tisch siztzen, kann es im Salon eng werden, selbst mit dem Vorsatz von echtem Teamgeist und Rücksichtnahme. Mit Kochen und Abwaschen haben wir uns abgelöst. Die Hauptlast hing jedoch an Daniel und Beate. Es war schon erstaunlich, welch’ feines Essen die beiden aus der kleinen Kombüse mit dem Zweiflammen-Herd hervorgezaubert haben.

 

Die Wassertemperatur bewegt sich ständig um 1–3°C. Knallblauer Himmel und Schneegestöber liegen nahe beieinander. Innert Stunden fällt die Temperatur um 10 Grad, von Windstille bis 66 Knoten Starkwind haben wir alles erlebt. Besonders fällt uns dies auf, als wir uns dem Ostende der Insel nähern und in den Drygalski Fjord einlaufen. Hier erleben wir Hochgebirge pur. Ein Sturm ist angesagt. Wir planen deshalb im Larsen Harbour zu ankern. Das ist eine sehr gut geschützte Bucht, aber der Wind heult den ganzen Tag und das Schiff zerrt an der Kette. Am Morgen liegen 10 Zentimeter Schnee auf dem Deck. Der Drygalski Fjord mit seinen Gletschern ist für uns auch der Umkehrpunkt dieses Törns. Wir segeln wieder zurück, Richtung Westen, ankern in neuen Buchten und besuchen Kolonien mit Maccaroni-Pinguinen mit ihrem strengen Gesichtsausdruck und einer struppigen Frisur wie von Jung-Rockern.

 

Wir kommen wieder über Grytviken hinaus in die Stromness Bay. Hier liegen die Ruinen von drei grossen Walfang Stationen, die aus Sicherheitsgründen nicht besucht werden können. Jetzt nutzen wir die Gelegenheit, um die letzte Etappe des Shackleton Walk zu machen. Shackleton war nach seiner misslungenen Antarktis-Expedition nach einer schwierigen Odyssee mit einem Rettungsboot der James Caird in der King Haakon Bay auf der Südseite von South Georgia angelandet. Von dort musste er mit zwei seiner Leute während 32 Stunden die Insel überqueren, über Gletscher und Berge von 900 Metern Höhe, bis sie in Stromness bei den Walfängern wieder in der Zivilisation gelandet waren. Die letzte Etappe über fünf Kilometer, mit 300 Höhenmetern, über Geröllfelder, Felsplatten und Schneefelder vollziehen wir von der Fortuna Bay bis nach Stromness ebenfalls nach. Eine prächtige Wanderung.

 

Herrliche Wanderalbatrosse

Wir segeln weiter in die Bay of Isles, mit ihren vielen Vogel-Inseln. Eine davon ist Prion Island. Sie ist bekannt als Nistplatz der Wanderalbatrosse. Mit ihrer Flügelspannweite von drei Metern und einem Körpergewicht von 8–10 Kilo sind sie die grössten Vögel der Welt. Ankern können wir nicht vor Prion Island, es ist zu tief. Deswegen bleibt Wolf, der Captain, mit dem Schiff in der geschützten Bucht. Mit dem Dinghi ist bereits die Anlandung eine echte Herausforderung. Eine grosse Ansammlung von Pelzrobben versperrt uns den Weg. Die Männchen liegen im Abstand von 25 wenigen Metern nebeneinander und achten stark auf ihr Territorium. Oben auf dem etwa 50 Meter hohen, breiten Hügel sehen wir die ersten Nester mit jungen Wanderalbatrossen. Wir erleben, wie so ein königlicher Wanderalbatros angeflogen kommt, mit seinen sehr schlanken und weit gespannten Flügeln gegen den blauen Himmel – das ist schon ein erhabener Anblick. Ausgewachsene Albatrosse sind übrigens hervorragende Langstrecken-Flieger. Sie legen auf ihren Reisen bis zu 7500 Kilometer zurück. Wir machen uns zur Rückfahrt auf die Falkland-Inseln bereit und ankern ein letztes Mal in der Elsehul Bay. Auch hier an der Westküste von South Georgia spürt man das raue Klima, das um die Ecke herum aus dem Süden hereinweht. Aber genauso ein Klima mit häufigen starken Winden, das wünschen sich Graukopf- und Braunaugen-Albatrosse, die zu Hunderten hier brüten. Seit unserer Ankunft in South Georgia hat sich das Bild der Tierwelt stark verändert. An den Küsten sind nur noch wenige See-Elefanten zu sehen, sie sind bereits wieder im Wasser. Und der Strand wird zunehmend beherrscht von den rauflustigen Pelzrobben, sodass ein Anlanden mit dem Dinghi bald nicht mehr möglich sein wird. Diese Pelzrobben (oder Antarktische Seebären) sind schon sehr robuste Tiere. Nicht nur wegen ihres Gewichtes von 50 Kilo bei den Weibchen und 150 Kilo bei den Bullen, sondern auch wegen ihrer Fähigkeit, allen Widerwärtigkeiten zu trotzen und ihre Population zu vergrössern. Zwischen 1800 und 1830 wurden die Pelzrobben von den «Sealern» den Pelzrobben-Schlächtern (Jäger kann man hier wirklich nicht sagen) fast komplett ausgerottet. Heute schätzen die Biologen den Bestand auf vier Millionen! Wir haben gehörigen Respekt vor der Rückfahrt auf die Falkland-Inseln, denn die Winde sind zumeist stark und vorwiegend von West. Das heisst: normalerweise bläst es kräftig auf die Nase. Doch der Wetterbericht mit den GRIBFiles schaut gut aus für die nächsten Tage und so heisst es am 21. November Anker auf und los. Anfangs mit räumlichem Wind und wenn der dann einschläft eben unter Motor. Draussen auf der Wache ist es bitterkalt, denn wir befinden uns noch im antarktischen Zirkumpolarstrom. Nachts auf meiner zweiten Wache stecke ich meine Füsse mitsamt den Stiefeln in den Schlafsack.

 

Inzwischen kommt wieder Wind auf, aus NW und wir können unter Segel mit einem angenehmen Amwindkurs zügig Strecke machen. Wunderschöne Sonnenuntergänge bei gleichzeitig aufgehendem Vollmond und die häufige Begleitung von Albatrossen machen unsere Fahrt sehr abwechslungsreich.

 

Schön wars!

Anfänglich begegnen wir immer wieder vereinzelten Eisbergen und deshalb sind wir nachts mit Radar unterwegs. Später kommen wir aus dem Einfluss des Zirkumpolarstroms heraus und es wird merklich wärmer.

 

Tagsüber steigert sich der Wind bis auf 35 Knoten, am Morgen haben wir noch Sonnenschein und am Abend Schauerböen und Regen. Ein Wetterwechsel wie bei uns im April. Den letzten Tag legen wir unter Motor zurück, denn der Westwind bläst uns bolzengerade auf die Nase. Da taucht vor uns die Küste Falklands auf. Der Captain Zaubert einen Prosecco aus den geheimen Tiefen der Bilge und wir stossen an, auf eine glückliche Heimkehr. Wie Immer gehört der erste Schluck dem Neptun, als Dank für die gute Überfahrt.

 

Wir machen die Leinen fest, längsseits am kleinen Kreuzfahrtschiff Hans Hansen. Und ich kann dem letzten Logbuch- Eintrag von Martin nur zustimmen: «Welch’ glückliche und gnädige Überfahrt!» Die Eindrücke, die wir auf diesem Törn sammeln durften, waren einfach überwältigend.

 

Für uns bleibt nur noch ein herzliches Dankeschön an die Crew für die gute Kameradschaft, die feine Verpflegung und die professionelle Durchführung. Und ein genauso herzlicher Dank geht an unsere Ehefrauen, die so viel Verständnis für den abenteuerlichen Tatendrang ihrer Männer aufgebracht haben.

 

Unter www.simexpeditions.com kann man mehr über die Santa Maria Australis und ihre abenteuerlichen Pläne erfahren.

 

Text und Bild: Hansruedi Fanti

 

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