Segeltörn auf den paradiesischen Seychellen - Auf der Suche nach der Meerjungfrau

Die weisskehlige Ralle, letzter überlebender flugunfähiger Vogel des Indischen Ozeans, die Coco de Mer, sagenumwobene Kokosnuss, die doch nicht aus dem Meer kam oder der Seychellenfrosch – es sind nicht nur die endemischen Arten, welche die Seychellen einzigartig machen. Aber auch.

 

Die «Parana», eine Lagoon 440, liegt in der Eden Island Marina nahe Victoria (Mahé Island) bereit. Die Sonne brennt. Es ist windstill. Zum Glück das einzige Mal in den kommenden zehn Tagen. Wir begrüssen Anna, Flo, Bettina und Sophia. Unsere Mitsegler sitzen bereits mit einem Takamaka-Drink im Cockpit. Zum Glück nicht das letzte Mal in den kommenden zehn Tagen. Paradiesischer Einstand. Auch wenn die neu angelegte Eden Island Marina mit der Hotel- und Appartementanlage äusserst international anmutet, Takamaka Rum ist bereits Seychellen pur. Seit Jahrhunderten wird hier Zuckerrohr angebaut, wenn auch nicht in so grossem Stil wie auf den Karibikinseln. Den Takamaka gibt es in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Doch ob mit Kokos, Mango, hell oder dunkel, immer verströmt er den «Spirit of the Seychelles». Wie wohl der übrige Spirit der Seychellen schmecken wird?

 

Bunte Wärme

Die Seychellen, seit 1976 unabhängig, jedoch Mitglied des Commonwealth, sind Heimat für gut 91 000 Einwohner und umfassen insgesamt mehr als 100 Inseln, die im Indischen Ozean auf einer Fläche von etwa 400 000 Quadratkilometern verstreut auf der Höhe von Mombasa (Kenia) liegen. Gegliedert werden sie in die zwei Inselgruppen Inner Islands und Outer Islands. Unser Revier in den nächsten Tagen werden die Inner Islands sein. Sie umfassen 32 Inseln mit einer Landfläche von insgesamt nur 266 Quadratkilometern, verteilt auf rund 31 000 Quadratkilometern – eindrückliche Weiten, paradiesisch.

 

Wir beziehen unsere Kabine und bald schon gehts unter Motor raus aus der geschützten Marina. Das Meer ist friedlich und ruhig. Am nördlichen Ende von Mahé lockt das Granitinselchen L’Ilot zu einem ersten Schnorchelgang. Viele Inseln der Seychellen bestehen – weltweit einzigartig – aus granitischem Urgestein mit einem Alter von rund 750 Millionen Jahren. Doch es gibt auch einige Inselgruppen vulkanischen Ursprungs sowie Koralleninseln. Nun aber rein in die Flossen und ab ins bestimmt 27 Grad warme Wasser – wunderbar. Farbige Korallen, Papageienfische, Doktorfische und gar eine Wasserschildkröte offenbart der Blick unter die Wasseroberfläche – paradiesische Unterwasserwelt. Glücksgefühl pur! Und dieses wird sich in den kommenden Tagen noch zig Mal wiederholen. Wir werden täglich mehrmals schnorcheln, selbst bei einer Wassertiefe von gegen 15 Metern noch klar den Grund erblicken und die wundersame, bunte, vielfältige und äusserst intakte Unterwasserwelt bestaunen: Es werden Riffhaie unter uns ihre Bögen ziehen, Flötenfische knapp unter der Wasseroberfläche stehen, riesige violette oder blaue Korallenbäume uns entgegenleuchten, Rochenfamilien durch das kristallklare Wasser schweben, Delfine über die Wellen springen, Schwärme aus tausenden von Fischen im Wasser flirren, Wasserschildkröten beim Atmen Auge in Auge neben uns im Wasser liegen und die nimmersatten Fledermausfische uns das alte Brot aus den Händen rupfen. Letztere werden unsere treusten Begleiter sein und bei jedem Ankern sofort an unserem Heck auftauchen. Zu gefrässig um scheu zu sein. Zudem haben sie nur die Russen zu fürchten: Kein Sechellois würde je einen Fledermausfisch fangen und verspeisen, doch «die Russen essen sogar diese Allesfresser» erzählt Silvio, unser einheimischer Skipper.

 

Kreolisch und auch sonstwie exotisch

Seine Insel ist La Digue. Sie ist die viertgrösste der Inner Islands, liegt rund 25 sm nordöstlich von Mahé. Ihre Anse Source d’Argent wurde unter anderem bekannt durch Werbespots von Bacardi und Rafaello – Traumstrand pur. Paradiesisch. Silvio war einige Jahre lang als Frachtschiffkapitän auf den Seychellen unterwegs. Nun arbeitet er als Skipper auf verschiedenen Charterkatamaranen. Nach unserem Törn wird er für einen Monat mit einer 4-köpfigen Familie zu den Outer Islands unterwegs sein, einem Archipel rund 100 Meilen entfernt. Sie werden auch einen Security an Bord haben. Sicherheitsvorschrift. Wir jedoch machen uns vom Hauptort La Passe lediglich mit Sonnencrème geschützt per Fahrrad Richtung Südosten auf zur Grand’ Anse. Auf dem Weg dorthin begegnen uns Ochsenkarren – die Zulassung für Autos ist streng reglementiert – und der Nid d’Aigles, die grösste Erhebung auf La Digue. Die 333 Meter – eigentlich nichts im Vergleich zu den 905 Metern des Morne Seychellois auf der Hauptinsel Mahé – sind dank unserer Mountainbikes rasch überwunden und schon hören wir das Rauschen des Meeres. Die Schönheit der Grand’ Anse ist atemberaubend, die Brandung – beim aktuell vorherrschenden Südost-Monsun – spektakulär. Die fantastischen, für die Seychellen typischen Granitformationen und die provisorisch eingerichtete Strandhütte machen den fast unberührten Robinsoneindruck perfekt – paradiesische Natur. Und der auf dem offenen Feuer kreolisch zubereitete Fisch stärkt uns für den Rückweg. Herz, was willst du mehr?

 

Vielleicht einen selber gefangenen und von unserem Smutje Don, auch er ein Seychellois, allerdings von Mahé, wunderbar zubereiteten Fisch? Wenns sich grad so ergibt, essen wir bereits zum Frühstück fangfrischen Bonito. Paradiesisches Angeln. Einfach Leine an der Reling befestigen, achtern rauslassen und bald schon zappelt ein Prachtexemplar am Haken – oder manchmal lange auch nicht… Dann bleiben zum Mittagessen – zwischengelagert im Abtropfbecken der Kombüse – immer noch zwei Chopfish, gefangen à la seychelloise. Will heissen: Netze werden in Strandnähe ausgelegt, erst von zwei Booten gegen das Land und wenig später von rund zehn Männern sorgfältig auf den Strand gezogen. Bereits «brodelt» die Wasseroberfläche. Langsames und gleichmässiges Ziehen ist angesagt. Bald liegt der gesamte Fang auf dem Strand. Die Fische springen, ringen nach Wasser, winden sich. Kein schöner Anblick für unsere europäischen Augen. Doch es geht auch anders. Bei der Fishing Competition sind Hochseeangelyachten mit entsprechenden Fischern, Angeln und Leinen am Werk. 17 Angeln zählen wir am Heck einer rund 30 Fuss langen Motoryacht. Der nach achtern gerichtete Stuhl im Cockpit zum Einholen des Fangs erinnert an einen Gynäkologensessel. Wie anders soll ein rund drei Meter langer und knapp 100 Kilogramm schwerer Marlin an Bord gezogen werden? Auch sonst ist die Fishing Competition nichts für Weicheier. 24 Stunden lang wird gefischt, weit draussen, was das Meer hergibt. Dann über Stunden in der brütenden Sonne der Fang an Land gebracht, gewogen, vermessen. Schliesslich soll der Grösste und Schwerste je Kategorie gekürt werden. Und das alles einmal im Jahr für einen guten Zweck. Unmengen an Fisch werden neben den unzähligen Schaulustigen auf Transportschiffe verladen, Feststimmung bis tief in die Nacht bei den Seychellois. Später werden die Fische versteigert, der Erlös kommt einem Waisenhaus auf Mahé zugute. Schöne Geste.

 

Genauso wie der zweimal täglich – zum Mittag und zum Abendessen – wunderschön gedeckte Tisch und die immer himmlisch mundenden kreolischen Gerichte von «unserem» Don. Er, der immer ein Lächeln auf seinem freundlichen Gesicht hat, zu lauter kreolischer (auf unseren Wunsch) Musik in der Kombüse hantiert und sich jeweils diebisch freut, uns wieder mit einer besonderen Poisson-Cru-Vorspeise zu überraschen oder mit ausgefallen aufgeschnittenen Mangos das Essen zu versüssen. Wobei, mit Früchten haben es die Seychellois nicht so bzw. nicht so für uns Touristen. Was in den Gärten auf den Inseln wächst, wird unter den Einheimischen aufgeteilt und getauscht: Mangos, Papayas, Brotfrüchte – eher Kartoffelersatz und zudem Verursacherin der Meuterei auf der Bounty –, Kokosnüsse, Bananen. Für den Tourismus muss Vieles importiert werden. So etwa Mandarinen und auch Ananas aus Südafrika. Doch zum Glück gibts auch für uns von den einheimischen kleinen Bananen. So süss, so saftig – paradiesisches Naschen.

 

In stimmigem Tempo unterwegs

Wer auf den Seychellen unterwegs ist und La Curieuse nicht besucht, hat nur das halbe Paradies erlebt. Hier gibt es, neben dem Vallée de Mai auf Praslin, die endemische Coco de Mer. Da sie vor Jahrhunderten an die Strände der Seychellen geschwemmt wurde, glaubten die Menschen, die Nuss wachse im Meer. Nun wird sie auch Seychellennuss genannte, reift über sieben Jahre, hat einen Samen mit einem Gewicht von bis zu 25 Kilogramm, der weltweit als grösster Pflanzensamen gilt. Seiner charakteristischen, an das weibliche Becken erinnernden Form wegen wird der Samen gerne als Vorlage für Schmuck und Souvenirs verwendet.

 

Auf La Curieuse leben die Seychellen-Riesenschildkröten in ihrer natürlichen Umgebung und werden gerne von überschwänglichen Touristen gestreichelt und gekrault – was sie angeblich mit zunehmendem Alter, also etwa ab 100 Jahre aufwärts, immer mehr mögen. Die Mangrovenhaine hier bilden eine beinahe überirdische Atmosphäre, die Strände sind ursprünglich, gefühlt weisser als anderswo und das zart aquamarinfarbene Wasser ist ebenso unglaublich. Paradiesisch schön. Kaum vorstellbar, dass La Curieuse einst die Leprastation der Seychellen war. Heute erinnert noch das Doktorhaus an jene schweren Zeiten im 19. Jahrhundert.

 

Allmählich wird uns klar, dass eine Segelyacht-Kreuzfahrt auf einem Katamaran die wohl idealste Reiseform für die Seychellen darstellt. Und wie praktisch, dass unser Skipper Silvio die Seychellen und das Wasser drum herum wie seine eigene Hosentasche kennt. Daher werden wir sicher zu den tollsten Riffs geskippert – bei den oft wechselnden Lichtverhältnissen ist das Navigieren auf Sicht anspruchsvoll. Können um Ave Maria, vor Coco Island oder Felicite schnorcheln, ohne davor einen Motorboot-Transfer hierhin organisieren zu müssen, können in den schönsten Buchten ankern und den Blick auf die luxuriösen und üppigen Hotelanlagen geniessen, ohne im entsprechenden Gewusel unterwegs zu sein. Zwar sind Pool-Sharing (gute Idee, Flo!) und Cappuccino-Schlürfen in den tropischen Anlagen der Hiltons und Co. – auf Silouhette Island gar unter unzähligen Seychellen-Flughunden – durchaus reizvoll, doch ein Takamaka auf den Netzen unserer Parana ist mit nichts aufzuwiegen. Paradies pur. Und dank Silvios Revier- und Wetterkenntnissen ankern wir immer in der «richtigen» Bucht: Da die Seychellen über kein vorgelagertes Riff und bloss über einige wenige vollkommen geschützte Buchten verfügen, wechseln die Navigationsbedingungen und Ankermöglichkeiten je nach Monsunzeit komplett. Der Nordwest-Monsun von Oktober bis März bläst mit Windstärken von moderaten 8 bis 12 Knoten, der frischere Südost-Monsun von Mai bis September bietet mit Windstärken von 10 bis 20 Knoten ideales Wetter zum Segeln. Ruhiges Schnorcheln und Übernachten ist dann auf den Inselwestseiten möglich. Die Zeit des Monsunwechsels sorgt für relativ warmes, windstilles Wetter im April und Oktober. Dann beträgt die Wassertemperatur bis zu 29º C und die Sicht unter Wasser mehr als dreissig Meter. Paradiesisches Schnorcheln.

 

Bei Dunkelheit hat auch der Profi-Skipper von seiner Charterfirma ein No-Go. Glücklicherweise nicht fürs Dinghi, so dass Sundownern an der Anse Lazio, Takamaka-Einkäufen in der Anse Volbert oder – organisiert von Don – nachmitternächtlichen Besuchen im von den Einheimischen gerne besuchten Barrel Night Club in Victoria nichts im Wege steht.

 

Nach all den paradiesischen Erlebnissen und Eindrücken sind wir dankbar zu erfahren, dass die Regierung mittlerweile rund 230 Quadratkilometer der Wasserfläche und knapp 50 % der Landfläche zu Naturschutzgebieten erklärt hat. Gemessen an ihrer Fläche verfügen die Seychellen somit weltweit über den grössten Anteil an geschützten Gebieten. Zudem sind sie die einzige Nation, welche den Naturschutz in der Verfassung festgehalten hat. Unsere Kindeskinder werden sich dafür wohlwollend bedanken. Denn so kann es auch für sie noch heissen: Paradies, wir kommen wieder!

 

Text: Caroline Schüpbach-Brönnimann

Foto: Lori Schüpbach, Barone Yachting

 

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